Finger weg von den Daten unserer Kids in der Schule!
Update April 2022: Der LfDI BW kündigt jetzt offiziell Konsequenzen an für Schulen, die MS 365 im nächsten Schuljahr weiter einsetzen, ohne die datenschutzkonforme Nutzung nachzuweisen: https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/nutzung-von-ms-365-an-schulen/
Update Juli 2021: Es ist ziemlich genau ein Jahr her, dass ich diese Webseite gestartet habe. In diesem Jahr haben wir ein Bündnis auf die Beine gestellt, das beim Thema Datenschutz und Open Source an Schulen nicht locker gelassen hat und Fragen und Forderungen an die Politik und die Verantwortlichen gerichtet hat: www.unsere-digitale.schule.
Nachdem der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit BW bereits am 07.05.2021 bestätigt hat, dass es aktuell keine Möglichkeit des rechtskonformen Einsatzes von Microsoft 365 an Schulen gibt, hat das Kultusministerium am 22.07.2021 bekannt gegeben, dass Microsoft-Produkte in der zukünftigen Bildungsplattform in BW nicht mehr eingeplant werden: „Datenschutzkonforme Bildungsplattform kommt“.
Es wird zwar eine Übergangsphase für Schulen geben, die bereits Microsoft und ähnliche Produkte einsetzen, da aktuell nicht in ausreichendem Maß Alternativen zur Verfügung stehen aber aus den zukünftigen Planung sind derartige Produkte erst mal raus.
Das Kultusministerium hat erkannt, wie wichtig der Datenschutz an Schulen ist und angekündigt, die Schulen zukünftig besser bei diesem Themen zu unterstützen. Wir sind damit längst nicht am Ziel, die Weichen wurden aber in eine Richtung gestellt, die mich zumindest wieder ruhiger schlafen lassen.
Die große Herausforderung ist jetzt, eine rechtskonforme und nachhaltige Bildungsplattform zu etablieren, die schnellstmöglich von allen Schulen in Baden-Württemberg genutzt werden kann. Wir haben schon viele Bausteine im Einsatz, jetzt muss es nur noch in der Fläche verfügbar gemacht werden.
Was ist davor passiert?
Wir haben die Digitalisierung an Schulen jahrzehntelang verschlafen. Der Corona-Lockdown hat uns über Nacht deutlich gemacht, dass wir in den 1980er Jahren stehen geblieben sind, was digitale Infrastrukturen, Tools und Methoden an deutschen Schulen angeht.
Bereits in der ersten Woche des neuen Schuljahrs 2020/21 mussten zwei Schulen Corona-bedingt den Präsenzunterricht einstellen. Damit hat sich bewahrheitet, was Kids, Eltern und Lehrkräfte seit längerem befürchten: auch im neuen Schuljahr wird sich Fernunterricht nicht vermeiden lassen.
So absehbar diese Entwicklung war, so wenig vorbereitet ist der Verwaltungsapparat rund um das Schulwesen auf diese Situation. Noch immer gibt es kaum offizielle Empfehlungen oder Lösungen für den digitalen Unterricht. Darüber hinaus wurden Firmen die Türen ins Schulwesen geöffnet, die eines nicht bieten können: Transparenz und damit Sicherheit darüber, was mit den Daten unserer Kinder passiert, wenn diese Angebote zum Einsatz kommen. Wie lückenhaft der Datenschutz vieler kommerzieller Angebote ist, hat die Analyse von Videokonferenzlösungen der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit gezeigt. Warum der Datenschutz an Schulen nicht als optional betrachtet werden darf, hat Professor Frank Rosenkranz in einem Interview beantwortet: Schule: Ist die Bildung der Kinder wichtiger als der Datenschutz? Dass dieses Frage im Jahr 2021 immer noch gestellt wird, ist ein Zeichen für die leider immer noch desolate Digitalkompetenz in unserem Land.
Forderungen
- Einhaltung des europäischen Datenschutzrechts – denn alles andere wäre ja auch illegal, oder? Im Auge zu behalten sind hier vor allem Nicht-EU-Firmen, bei denen es zu einer Datenverarbeitung im Ausland kommt.
- Lückenlose Transparenz der Datenverarbeitung – ergibt sich eigentlich aus 1. soll aber hier noch einmal betont werden. Nur wenn ich zu 100% weiß, welche Daten wie und wo verarbeitet werden, kann ich garantieren, dass es zu keiner missbräuchlichen Verwendung der Daten kommt.
- Keine Testläufe – Sind Daten einmal in einem System gelandet, das sich als nicht-rechtskonform erweist, können daraus unter Umständen nicht mehr entfernt werden. Deswegen darf es keine Testläufe an Schulen mit echten Daten von Kindern und Jugendlichen geben. Hier gibt es nichts zu testen. Ein Unternehmen, das im Vorfeld nicht darlegen kann, wie die Daten genutzt werden, kann den Punkten 1. und 2. nicht entsprechen.
- Sensibilisierung für die Bedeutung des Datenschutzes – Warum mussten wir diese Seite ins Leben rufen? Weil bei vielen Akteuren im Schulwesens keine ausreichendes Wissen zum Thema Datenschutz und keine Sensibilität vorhanden ist, welche Auswirkungen es haben kann, wenn Daten missbraucht werden.
- Bewährtes fördern – in den vergangenen Monaten haben unzählige Schulen unter Beweis gestellt, dass digitale Infrastruktur auch datenschutzkonform umgesetzt werden kann. Tools, wie Moodle, Nextcloud oder BigBlueButton haben sich im Schulbetrieb bereits bewährt. Dieses Wissen muss zentral zusammengeführt und allen Schulen zur Verfügung gestellt werden.
- IT ist kein Hobby für Lehrkräfte – Um IT sicher und rechtskonform umzusetzen, braucht es flächendeckend Fachkräfte oder eine zentral bereitgestellte Infrastruktur. Man kann nicht von Lehrkräften erwarten, dass sie ein IT-System von der Größe eines mittelständischen Unternehmens neben ihrer Lehrtätigkeit am Laufen halten.
- Umsetzung der DSGVO an allen Schulen – Dies gilt vor allem für die Erstellung des Verzeichnisses von Verarbeitungstätigkeiten nach Art. 30 der DSGVO, sowie der Dokumentation der technischen und organisatorischen Maßnahmen nach Art. 31 Absatz 1 DSGVO. Dieser Punkt ergibt sich eigentlich aus 1 und 2, soll aber an dieser Stelle ausdrücklich noch einmal hervorgehoben werden. Diese konkrete Anforderung wurde bisher scheinbar an nur wenigen Schulen umgesetzt. In einem ersten Schritt sollte deswegen ermittelt werden, wo diesbezüglich noch Lücken sind. In einem zweiten Schritt müssen Schulen externe Beratung erhalten, um durch diesen Prozess geführt zu werden. Lehrkräfte und Schulbedienstete, die im Rahmen dieses Prozesses zuarbeiten, müssen zeitliche Freiräume erhalten. Wünschenswert wäre es, Schülerinnen und Schüler in diesen Prozess einzubeziehen.
Datenschutz und Datensicherheit ist nur ein Aspekt, den es bei der digitalen Ausstattung von Schulen und der digitalen Bildung zu berücksichtigen gilt. Im Bereich Information findet ihr weiterführende Links, u.a. zu den Themen digitale Diversität lehren, Lock-in-Effekte vermeiden, effiziente und nachhaltige Gerätenutzung. Unbeantwortet bleibt bisher auch die Frage, ob es legitim ist, in einem weitgehend steuerfinanzierten Schulsystem Produkte von Unternehmen einzusetzen, die diesen Steuertopf nicht mit füllen. Und um was es im Kern eigentlich gehen sollte, bringt Sir Ken Robinson hier in 20 wertvollen Minuten auf den Punkt: https://www.ted.com/talks/sir_ken_robinson_bring_on_the_learning_revolution#t-1039566
Aktuelle Meldungen
14.04.2024 BW: Digitaler Arbeitsplatz für Lehrkräfte geht an den Start. https://km-bw.de/,Lde/startseite/service/digitaler-arbeitsplatz-fuer-lehrkraefte-startet
09.02.2024 Jahresbericht der Landesbeauftragten für Datenschutz nach der Europäischen Datenschutzgrundverordnung, Freien Hansestadt Bremen.
„Aufgrund der bestehenden Bedenken, wiesen wir die Senatorin für Kinder und Bildung darauf hin, dass die Nutzung der iCloud rechtswidrig und einzustellen ist, sofern kein ausreichender Nachweis erfolgt, dass die Anforderungen des europäischen Datenschutzrechtes eingehalten werden.“ (Seite 56 ff)
https://www.datenschutz.bremen.de/sixcms/media.php/13/6.%20Jahresbericht%20Datenschutz.pdf
03.02.2024 Final Decision on Chromebook Case in Denmark „From 1 August 2024 onwards, Danish schools will no longer be allowed to enable Chromebooks and Google platforms to collect students‘ personal data for processing.“ https://theprivacydad.com/final-decision-on-chromebook-case-in-denmark/
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Inhalte dieser Seite
- Infos für Eltern
- Was können Eltern und Kids tun? Wie können sich Eltern und Schülerinnen und Schüler gegen unrechtmäßige Datenverarbeitung wehren? Vieles kann man unkompliziert online erledigen.
- Erfahrungsberichte: von Eltern und Schülerinnen und Schülern, die sich gegen fragwürdige Software an Schulen wehren
- Häufige Fragen: Warum ist der Schutz von Daten überhaupt wichtig? Welche Möglichkeiten haben Familien? u.v.m.
- Mehr erfahren
- Basics Datenschutz: Grundlegende Infos für Eltern, Lehrkräfte und Kids, welche Daten digital genutzt werden und wie man auf den Schutz der eigenen Daten achtet.
- Datenschutz und Digitales an Schulen
- Daten schützen – die Details: Informationen, Analysen und Hintergründe für die, die es genauer wissen wollen.
- Aus Fehlern lernen: Was lief bei der Bildungsplattform „Ella“ und bei der Amtlichen Schulverwaltung ASV schief? Was kann man daraus für zukünftige Projekte lernen?
- Mahnmal „nichts zu verbergen“: für den Schutz der Daten. Gewidmet denen, die scheinbar nichts zu verbergen hatten und denen, die Opfer von Datenmissbrauch wurden.
- Aktuelles: aktuelle Artikel, Pressemitteilungen und sonstige Veröffentlichungen rund um die Themen Datenschutz, Bildungsplattform, Digitalisierung an Schulen
- Anfragen: Liste aller Anfragen bei „Frag den Staat“
- Echte Alternativen: Wie digitale Technologien an Schulen datenschutzkonform eingesetzt werden können
- Schul-IT für Einsteiger: Grundbegriffe digitaler Lösungen an Schulen einfach erklärt
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